Umbruch

Corona und ich

Inzwischen bin ich seit vier Monaten krank. Das gibt mir zu denken. Vielleicht ist es Zeit für Veränderungen oder einen Umbruch. Ich habe Corona – nein, Long-Covid. Manche sagen auch Post Covid. Ich finde Long Covid sinnvoller. Ich habe mich angesteckt und bin seitdem krank, habe also schon lange Covid, also Long Covid. Andere stecken sich an, haben einen milden Verlauf und werden nach ein paar Wochen oder Monaten richtig krank. Dafür erscheint mir die Bezeichnung Post Covid sinnvoll. Ich bin übrigens zweifach geimpft und geboostert. Das interessiert das Virus aber nicht sonderlich. Es geht mir ja nicht schlecht, ich bin nur nicht belastbar und huste und keuche nach kleinsten Anstrengungen, als hätte ich sportliche Höchstleistungen vollbracht. Es gibt bessere und schlechtere Tage, inzwischen überwiegen die besseren Tage deutlich.

Nun hat sich allerdings das nächste Level angekündigt: Schmerzen. Wir sind ein paar Mal die „große“ Hunderunde gegangen – früher war das die kleinste, die wir hier hatten, inzwischen gehen wir noch einen anderen Feldweg hin und zurück und das ist jetzt die „kleine Runde“. Jedenfalls war ich stolz und glücklich, dass ich diese große Runde mehrmals geschafft habe – zwar nur mit Zoltan, Henry ist mit Ben gegangen, aber immerhin. Und dann hatte ich massive Schmerzen im Becken- und Hüftbereich. Muskelkater? Aber richtig heftig. Ich konnte auch in der Wohnung kaum kriechen, konnte kaum etwas vom Boden aufheben, konnte weder sitzen noch stehen noch liegen. Blöd. Inzwischen ist es besser, jetzt tut es nur noch leicht weh und wird nur bei manchen Bewegungen stärker. Trotzdem sind wir seit mehreren Tagen wieder im Garten, statt Gassirunden zu gehen. Den Hunden gefällt das, auch wenn sie Gassirunden noch lieber mögen.

Corona und mein Job

Aber eigentlich ging es ums Nachdenken. Ich arbeite an der Hütte ja körperlich. Es gibt Tätigkeiten, von denen ich mir an guten Tagen vorstellen kann, dass ich sie in ein paar Wochen wieder ausführen kann. Bei anderen bin ich skeptisch. Das ist an sich kein Problem, wir sind ja zu zweit. Aber mein Kollege arbeitet jetzt die ganze Zeit durch – wenn Gruppen da sind, muss jemand sie begrüßen, verabschieden, den Sanitärbereich putzen. Und es waren wohl ständig Gruppen da. Mein Kollege hat es also mehr als verdient, endlich mal wieder freie Wochenenden zu haben und auch zwischendurch mal einen Tag frei nehmen zu können. Außerdem hat er noch sechs Wochen Urlaub, in denen ich ihn vertreten müsste.

Ich werde also wohl ziemlich viel arbeiten, wenn ich denn wieder arbeite. Außerdem habe ich auch noch Minusstunden und müsste noch für Dezember vorarbeiten. Ich gestehe, ich habe Angst, dass ich das nicht schaffe. Es ist nun eine Ausnahme, dass ich so lange krank bin – ich bin sonst nie krank, höchstens mal einen oder zwei Tage. Aber ich werde ja überraschenderweise auch nicht jünger – wie sinnvoll ist also ein Job, bei dem ich körperlich arbeite?

Ich habe nun die Zeit genutzt und mir ein Buch über Social Media Management gekauft und durchgearbeitet – genau genommen: DAS Buch über Social Media Management von Vivian Pein. Außerdem habe ich mehrere Videokurse gebucht, die ich durcharbeite. Social Media Manager sind gefragt, allerdings gibt es noch keine richtige Ausbildung. Das ist also meine Chance. Allerdings bin ich ja etwas blöd und traue mir immer nicht so viel zu – ich lese also Stellenanzeigen und denke, ach nee, das kann ich nicht. Experte? Nein, bin ich nicht.

Das ist der eine Teil des Umbruchs, der sich eher langsam und schleichend vollzieht – ich habe ja auch keine Ahnung, wann ich wieder gesund bin. Der zweite Teil ist sehr viel brutaler.

Ben zieht aus

Auch für Ben steht ein Umbruch an. Er möchte in Hamburg an der HAW den Bachelor-Studiengang Gefahrenabwehr/Hazard Control absolvieren. Das ist gut, das passt zu ihm. Das weiß er auch schon lange. Viele Abiturienten haben noch gar keine Ahnung, was sie machen möchten, insofern bin ich froh und stolz, dass Ben sich längst entschieden hat. Er hat mich auch durchaus an seinen Gedanken teilhaben lassen und mich über den Stand der Dinge informiert. Er hat sich beworben, wurde angenommen, ist immatrikuliert – und hat gestern festgestellt, dass das Semester an der HAW nicht wie an anderen Unis am 01. Oktober sondern schon am 01. September anfängt.

Das ist in zweieinhalb Wochen! Mein Kleiner zieht also in zweieinhalb Wochen aus! Es war klar, dass er auszieht, es war klar, dass er nach Hamburg geht und wenn das Semester im Oktober anfangen würde, wären es Mitte September auch nur noch zweieinhalb Wochen – aber das kam jetzt doch sehr plötzlich.

Gestern Nachmittag haben wir nach Wohnungen gesucht, um Besichtigungstermine gebeten, den Bafög-Antrag gestellt. Es ist alles sehr aufregend und ungewiss. Wenn Ben eine Wohnung im Studierendenwohnheim bekommt, muss er keine und nur sehr wenige Möbel mitnehmen, Wenn er eine andere Wohnung bekommt, muss er möglicherweise sogar einen Teil seiner Küche mitnehmen. Im Grunde ist es egal, er hat eine komplette Einrichtung, er hat sich ja im Keller eine kleine Wohnung eingerichtet, die er dann leider aufgeben musste, weil sie feucht war. Aber die Möbel sind ja da. Sie müssten nur irgendwie nach Hamburg kommen – mit einem Mietwagen oder so. Und ich fände es einfach schöner, wenn wir jetzt mal wüssten, was wann wie geschehen muss. Mit Ungewissheit kann ich ja nicht so gut umgehen. Und noch viel wichtiger wäre, dass Ben spätestens am 19. September eine Wohnung oder ein WG-Zimmer hat, wenn die Vorlesungen anfangen.

Und dann ist er weg. Ich mag ihn nicht loslassen. Ich weiß, dass er klarkommen wird. Er weiß sich zu helfen, er ist kreativ, er kann das. Ich freue mich für ihn, dass er seinen Wunsch-Studienplatz bekommen hat und auch darüber, dass er in Hamburg leben wird – ich denke, das ist eine tolle Stadt und hoffe, dass er viel davon mitbekommt und es genießen kann. Ich selbst habe in Heidelberg studiert. Das war eine sehr wichtige Zeit in meinem Leben. Und ja, ich finde es gut, dass Ben nicht in Hannover studiert und weiterhin hier wohnt. Es ist schön, dass er hier ist, aber es ist jetzt Zeit für den nächsten Schritt – erwachsen werden, die Welt entdecken, Neues erleben, nicht immer nur bei Mama in der Küche sitzen und essen, was auf den Tisch kommt.

Trotzdem fehlt mir Ben jetzt schon. Ich habe keine Ahnung, wie ich damit umgehen soll. Es ist nur Hamburg, das ist nun wirklich nicht weit, und es ist nur ein Studium, das ist nichts Schlimmes. Aber ja, es fällt mir verdammt schwer, ihn gehen zu lassen.

Umbruch

Ich muss mich einfach wieder auf mich selbst fokussieren. Wer bin ich, was will ich eigentlich? Wie lebe ich, wenn ich kein Kind, das eigentlich sowieso schon lange keins mehr ist, zu versorgen habe? Wie entwickelt sich die Beziehung zu meinen Hunden? Zoltan ist ja eher mein Hund, aber Henry hängt schon sehr an Ben. Ich bin gespannt, wie sich das alles weiter entwickelt.