Zoltan - Leben mit Hund

Kennenlernen

Tag zwei. Ostermontag. Kennenlernen. Wir haben alle ganz gut geschlafen, die Jungs besser und länger als ich, aber auch bei mir waren es ein paar Stunden am Stück.

Zoltan lag neben dem Bett. Er hat ein paar Mal gepieselt, das Pipi aufgeleckt, sich umgedreht und weitergeschlafen, während ich die Unterlage in den Mülleimer gebracht und dem Hund eine neue untergeschoben habe. Geköttelt hat er nicht.

Heute Morgen hat er sich das Schlafzimmer ein bisschen näher angeguckt, sich dann aber wieder an seinen Platz gelegt und noch ein bisschen gedöst und einen sehr zufriedenen Eindruck gemacht. Kurz vor acht bin ich aufgestanden und – wie man das so macht – ins Bad gegangen.

Und man weiß ja, dass Badezimmer immer einen Hinterausgang haben, aus dem Menschen verschwinden. Also, in Hundekreisen weiß man das. Zoltan weiß das. Aber irgendwann war die Welt wieder in Ordnung, ich war wieder da – dass Benny dann im Bad verschwunden ist, hat Zolty nur am Rande mitbekommen, weil er mir beim Anziehen zugeguckt hat. Ja, das war sehr spannend – meine Kleidung war über mehrere Schränke und den Stuhl für schon mal Getragenes verteilt, ich musste mehrere Schritte gehen… So etwas regt ihn schon noch auf. Klar, es könnte ja sein, dass er den Moment verpasst, an dem es losgeht und dann allein dasteht.

Doch, ich verstehe den kleinen Kerl schon. Neues Land, neue Gerüche, neue Wohnung, nicht ganz so neue, aber dennoch relativ unerfahrene Menschen… Das muss man erst mal alles kennenlernen. Und alles, was er bisher kannte, ist nicht mehr da. Da muss man ja unruhig herumlaufen. Und auslaufen…

Als Benny fertig war, sind wir zusammen rausgegangen. Benny hat Zoltan an der Leine geführt – der Hund geht mit locker durchhängender Leine neben Benny her, guckt immer mal hoch, ob Benny noch da ist, orientiert sich an ihm – echt schön. Leinenführigkeit: check. Ich trage derweil sein Hinterteil. Ja, ja, ich trage meinem Hund seinen Hintern nach…

Oh, und dieses Mal hat er so deutlich gezeigt, dass er jetzt mal muss, dass auch wir es verstanden haben. Ein kleiner Haufen für die Menschheit, ein großer Schritt für uns.

Einen Rollstuhl und Windeln habe ich gestern Nachmittag noch angefragt. Mit den Windeln, das überlege ich mir noch mal. Zoltan zeigt ja durchaus an, wenn er mal muss. Wir kapieren es nur entweder nicht oder reagieren zu langsam. So wirklich ausgeschlafen sind wir immer noch nicht – wir kommen ja auch gerade erst aus Zypern und nach einem Urlaub brauchen wir immer ein paar Tage, bis wir wieder hier sind.

Und nun haben wir noch einen Hund mitgebracht – und wie immer, wenn jemand neu in die Familie kommt, müssen sich erst mal alle in der Familie kennenlernen, man muss erst mal sehen, wer das ist, was er braucht, was geändert werden muss, damit es wieder für alle passt,

Gestern Mittag haben wir einen langen Spaziergang im Regen gemacht. Gut, für einen Husky war das kein langer Spaziergang sondern höchstens eine kleine Aufwärmrunde. Aber er ist ja auch noch jung und darf noch gar nicht so viel laufen. Für meine Schultern und mich, die wir ja das Tragen und Laufen nicht so gewohnt sind, war es schon ganz schön weit. Es war trotz des Wetters schön, so zu dritt durch den Wald zu gehen.

Nachmittags waren wir bei meiner Mutter zum Kaffee eingeladen. Meine Schwester und ihre Familie waren auch da. Zoltan hat sich überreden lassen, auf seiner Decke zu liegen, alle haben ihn in Ruhe gelassen und er wollte auch niemanden kennenlernen, aber er war sehr angespannt und wir sind bald wieder gegangen. Hier hat Zoltan dann zwei Mal in die Wohnung gepieselt und auch noch eine Wurst verloren, worauf Benny sehr geknickt in sein Zimmer gegangen ist. Zoltan war erst noch sehr unruhig, aber als ich mich an den Schreibtisch gesetzt habe, konnte er entspannen, sich hinlegen und gut zwei Stunden ganz ruhig unter meinem Schreibtisch schlafen. Den Rest des Tages war er weitgehend trocken und sauber. Benny hat auch geschlafen und danach ging es ihm auch wieder besser.

Zum Abendessen gab es für Zoltan eine 400 g Dose Hundefutter ohne Getreide – das hat er quasi inhaliert. Ich habe ihm erst nur ein bisschen gegeben, um zu sehen, ob er das überhaupt mag und isst. Ja, definitiv. Der Blick sprach Bände, als die Zunge den Napf abgewaschen hatte… Den Rest habe ich ihm in drei Portionen gegeben.  Doch, fand er gut. Das hätte gern noch ein paar Dosen lang so weiter gehen können, meinte er.

Abends haben wir es uns auf der Couch gemütlich gemacht. Für Zoltan haben wir ja vorm Urlaub die alte Couch dazu gestellt. Er guckte und zeigte, dass er jetzt genau da liegen wollte. Benny hat ihn hoch gehoben, er hat sich mit den Pfoten mein Bein geschnappt und wirkte sehr zufrieden.

Als ich ins Bett wollte, wollte er lieber da bleiben. Benny hat sich auf unser Sofa gelegt, kam aber nach einer Weile, weil Zoltan komische Geräusche machen würde. Hm, ich konnte nichts Komisches hören. Hinlegen, weiter schlafen. Kurze Zeit später kamen beide – Zoltan wollte nicht mehr auf dem Sofa liegen, meinte Benny. Nun war ich also wieder dran mit Wache halten. Und irgendwann ist es mir gelungen, mich davon zu überzeugen, dass man einen schlafenden Hund in einem geschlossenen Raum gar nicht wirklich bewachen muss – zumal ich als Mutter ja sowieso schnell aufwache, wenn irgendwas ist. Aber die Nacht war ruhig und gemütlich.

Jetzt müssen wir nur noch das Pipi-Problem in den Griff kriegen – das wäre leichter, wenn Zoltan laufen könnte. Halsband um, Leine einhaken und raus – das ist irgendwie schneller als Halsband um, Leine einhaken, „Hintergeschirr“ anziehen, selbst Schuhe und Jacke anziehen, Hund die Treppe runter tragen… Bis dahin ist es dann schon passiert…

Auf APM kann Zoltan sich im Moment noch nicht einlassen. Ich probiere es nachher noch mal. Hm, nein, das kann eigentlich nicht stimmen. Ich bin wohl eher diejenige, die sich bisher nicht auf eine Behandlung einlassen konnte. Aber das kommt. Auch ich muss dieses neue Leben erst mal kennenlernen…

Kennenlernen geht leichter, wenn man sich mag.